SOBRE EL ARTE / ÜBER DIE KUNST

Jorge Armando Ponce Munoz wurde 1982 in dem kleinen Ort Paillaco im Süden von Chile geboren. Seine frühe Kindheit war geprägt vom Verlust des Vaters und der daraus resultierenden Armut. Seine Grosseltern waren einfache Bauersleute und seine Mutter arbeitete zunächst als Köchin in einer Schule. Wegen der Geldknappheit lebte er als kleiner Junge einige Jahre alleine bei seinen Grosseltern auf dem Land, durchstreifte den ganzen Tag die Wälder und lauschte den fantastischen Geschichten seines Grossvaters über Erdbeben, Hexerei und den wilden Berglöwen.

Als er 8 Jahre alt war, trat der Stiefvater in sein Leben. Die ständigen Umzüge und Schulwechsel hatten ein Ende. Nun ging es ökonomisch langsam aber stetig bergauf. Der Vater gründete ein kleines Taxiunternehmen, die Mutter begann eine Fortbildung zur Lehrerin und Jorge war der erste, der aufs Gymnasium ging. In den Sommerferien arbeitete er als Obstpflücker oder auf einer Hacienda und konnte sich so ein paar Wünsche erfüllen. Die Erkenntnis, dass man als Armer in Chile immer relativ arm bleiben wird, brachte ihn dazu, sich selbst hohe Ziele zu stecken: er wollte Filmregisseur, Theaterdirektor, Astronaut oder Künstler werden.

Mit 18 Jahren zog er von zu Hause aus und fing in Osorno an, Spanisch und Medien für das Lehramt zu studieren. Während dieser Zeit begann er an der Universität Theater zu spielen und später auch unterrichten, was einen großen Einfluss auf sein späteres künstlerisches Wirken hatte. Endlich konnte er sich frei ausdrücken. Während seine Kommilitonen sich selbst als Poeten sahen, erschienen Gedichte Jorge zu intellektuell und reserviert für ein akademisches Publikum. Er begann Kurzgeschichten zu schreiben, die sich teilweise auf die alten Legenden seines inzwischen verstorbenen Grossvaters bezogen. Einige Kurzgeschichten wurden publiziert und er gewann zahlreiche literarische Preise in Chile und Spanien.

Mit 28 verbrachte er das letzte Jahr seines Studiums als Assistent an der Universität Göttingen. Bedingt durch die neuen Erfahrungen im Ausland veränderte sich seine Kunst erneut. Während seine Abschlussarbeit noch einen Vergleich zwischen chilenischer zeitgenössischer Poesie und deutschem Poetry Slam zog, widmete er sich nun verstärkt der Videokunst. Nach mehreren Umzügen innerhalb Deutschlands und einer Phase der beruflichen Orientierung entschied er sich erneut für ein Studium. Mit 29 Jahren schrieb er sich für Kunst und Spanisch an der Universität Bremen ein. Seine Werke wurden experimenteller und dekonstruktivistischer. Er probierte verschiedenste Materialien aus und konzentrierte sich nun auf Mixed Media, Installation und Performance. Ein schlimmer Schicksalsschlag in der engsten Familie machte seine Kunst radikaler und expressiver. Das Motiv der Dekonstruktion und den existenzialismus zieht sich seitdem wie ein roter Faden durch die Werke.

Jorge nahm an einer Sammelaustellung in der Villa Sponte teil und hatte eigene Ausstellungen in der Fast-Art-Galerie und im onetwothree in Bremen, auch bei SLife in Hamburg. Er gewann den 1. Preis beim Kurzfilmfestival Flimmerfest in Hamburg und in 2023 seinen Kurzfilm "Pulver" wurde ausgewählt und mit einen "Honorable Mention" in den Around Interntional Award Berlin Filmfestival ausgezeichnet.

Er publizierte nebenbei didaktisches Material fürs ELE bei Schmetterling und Cornelsen Verlag in Deutschland.

Aktuell: Entwicklung von didaktischem Material für den Kunstunterricht im Heft "Kunst+Unterricht" des Friedrich Verlag (Aufgabe: Oktober 2024) zum Thema Film. 

Kontakt

Das Fantastische zieht sich als roter Faden durch die Werke Jorge Ponces: sein hyperrealistischer Stil, sowohl in der Zeichnung als im Gemälde, vereinzelt die Phänomene der Welt, ordnet sie neu und resemantisiert sie so in neuen Kontexten. Dekontextualisiert werden so eindeutige Interpretationen von vornherein verunmöglicht.

Gleichzeitig ging es Ponce zunehmend um einen direkteren Ausdruck – den er in den Bildenden Künsten fand. Formal dominiert das Selbstporträt, oft in kuriosen Szenerien. Vereinzelte, dem Gesicht entrissene Augen schauen aus vielen seiner Leinwände als würde sich der Maler stets selbst reflektieren, das Ich spiegelt sich im Fantastischen.

Die Erfahrung zwischen zwei geografischen, aber auch zwischen zwei sozialen Kontinenten zu leben steht oftmals in bizarrem Kontrast. Eine Entwicklung im gleichen Geist sind die Anleihen an die Popkultur: besonders die Zeichnungen erinnern an Comicszenen oder Graffiti, moderne Medien finden sich als organischer Bestandteil in diesen Werken wieder. Er bedient sich der Logik des Digitalen indem er Versatzstücke reflektiert. Gleichzeitig ist die Grenzüberschreitung der Genres Merkmal seiner Arbeiten – und als solche auch nicht ohne Weiteres in Traditionslinien einzuordnen. Die Beschäftigung mit dem virtuellen Diversen ist für Jorge Ponce nicht abgeschlossener Weg, andauernde Suche.

Prof. Dr. Miriam Oesterreich

(Institut für Geschichte und Theorie der Gestaltung - UdK Berlin)

Biographie